Alles über Diabetes

Vortrag vor den Diabetesfreunden Bendorf, Juni 2006
Diabetes mellitus ist eine erstzunehmende Erkrankung. Für jeden Diabetiker ist es wichtig, einen umfassenden Überblick über seine Erkrankung zu erhalten.

Was ist Diabetes?

Diabetes mellitus ist keine einzelne Erkrankung, sondern ein Sammelbegriff für eine ganze Gruppe von Störungen des Stoffwechsels, die mit einer Erhöhung des Blutzuckergehaltes einhergehen.

Eine Ursache für solche Entgleisungen des Blutzuckers kann eine Störung der Bildung des Hormons Insulin (sog. Insulinsekretion) in der Bauchspeicheldrüse sein.

Eine Störung des Blutzuckerspiegels können aber auch durch eine gestörte Wirkung des Insulins an den Zellen hervorgerufen werden. Auch Mischformen aus beiden Ursachen sind möglich. Schematische Darstellung der normalen Insulinwirkung: Schlüssel-Schloß Prinzip

Wirkungsweise des Insulins beim gesunden Menschen

Normalerweise wirkt das Insulin wie ein Schlüssel, der ein Schloss an der Zelle (Insulinrezeptor) aufschließt, damit der Zucker in die Zelle gelangt und dort verbraucht werden kann.
Auf Deutsch bedeutet Diabetes mellitus übrigens "honigsüßer Durchfluss". Früher, als es noch keine Geräte zur Messung des Blutzuckers gab, konnten die Ärzte den hohen Zuckerspiegel daran erkennen, dass der Urin des Patienten süß schmeckte.

Formen des Diabetes

Je nach der Ursache des Diabetes kann man eine Einteilung in vier verschiedene Diabetesformen vornehmen.

Man unterscheidet
  • Diabetes mellitus vom Typ 1
  • Diabetes mellitus vom Typ 2
  • Weitere Sonderformen des Diabetes mellitus
  • Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes)

Diabetes mellitus vom Typ 1

Bei dem Diabetes mellitus vom Typ I sind die Zellen der Bauchspeicheldrüse, in denen das Hormon Insulin produziert wird, durch verschiedene Ursachen vollständig zerstört. Vom Körper kann gar kein Insulin mehr produziert werden. Schematische Darstellung des Diabetes mellitus Typ 1

Schematische Darstellung des Diabetes mellitus Typ I

Der Körper kann kein Insulin mehr produzieren, um den Transport des Zuckers in die Zellen zu gewährleisten, muss Insulin von außen zugeführt werden
Beim Typ 1 a wird die Zerstörung der Bauchspeicheldrüse meistens durch eine Autoimmunreaktion ausgelöst. Dabei richten sich die Antikörper im menschlichen Immunsystem, die normalerweise Fremdkörper als "Körperpolizei" bekämpfen, plötzlich gegen den eigenen Körper und zerstören körpereigene Zellen. Typischerweise tritt diese Erkrankung eher bei jüngeren Menschen auf.

Der "LADA" Diabetes (Latent Autoimmune Diabetes in Adults) beruht auf der gleichen Autoimmunerkrankung, tritt jedoch erst in hohem Lebensalter auf.

Diabetes mellitus vom Typ 2

Bei dem Typ II Diabetes handelt es sich meist um eine Mischung aus mangelnder Insulinproduktion in der Bauchspeicheldrüse und unzureichender Insulinwirkung (Insulinresistenz) in den Zellen. Schematische Darstellung der Insulinresistenz

Schematische Darstellung der Insulinresistenz

Das Insulin kann seine Schlüsselfunktion nicht mehr richtig wahrnehmen, die Versorgung der Zellen mit Zucker ist gestört.
Bei dieser Insulinresistenz ist das "Schlüssel-Schloss Prinzip gestört". Der "Schlüssel" Insulin passt nicht mehr ins Schloss, da die Zellrezeptoren nicht mehr richtig auf das Insulin reagieren. Die Aufnahme von Zucker in den Zellen ist vermindert - die Tür "bleibt zu".

Die Insulinresistenz wird durch Übergewicht, Fettstoffwechselstörungen und Bluthochdruck ausgelöst.

Durch den hohen Blutzuckerspiegel wird die Bauchspeicheldrüse angeregt, noch mehr Insulin zu bilden, um so den Blutzuckerspiegel wieder zu senken. Je mehr Insulin jedoch vorliegt, umso stärker wird die Insulinresistenz, bis die Bauchspeicheldrüse zum Schluss erschöpft ist und es zur Entstehung des Diabetes kommt.

Andere Formen des Diabetes

Neben dem Diabetes mellitus vom Typ I und Typ II gibt es noch eine ganze Reihe weiterer Ursachen, die den Stoffwechsel so beeinflussen, dass es zu einer Erhöhung des Blutzuckergehaltes kommt.

So können Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse aller Art, hormonelle Erkrankungen mit Bildung insulinfeindlicher Hormone (z.B. Cushing-Syndrom), bestimmte Medikamente (z.B. Glukokortikoide oder Ovulationshemmer), Genetische Defekte der Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse (z.B. MODY-Formen) sowie bestimmte Infektionskrankheiten zu einem Diabetes führen.

Schwangerschaftsdiabetes

Eine weitere Sonderform ist der Gestations- oder Schwangerschaftsdiabetes. Während der Schwangerschaft erfährt der Körper der Mutter viele hormonelle Umstellungen. Unter anderem erhöht sich dabei die Ausschüttung körpereigener, "insulinfeindlicher" Hormone. Eine Folge dieser Umstellungen kann eine erhöhte Insulintoleranz sein. Dabei reagiert das Regelsystem des Blutzuckerhaushaltes weniger empfindlich auf das körpereigene Hormon Insulin.

Risikofaktoren des Diabetes vom Typ 1

Bei der Besprechung von Risikofaktoren eines Diabetes muss aufgrund der unterschiedlichen Ursachen streng zwischen den verschiedenen Diabetes-Typen unterschieden werden.

Ursache für die Entstehung eines Diabetes mellitus Typ I sind in erster Linie Autoimmunreaktionen. Diese Autoimmunerkrankungen werden in etwa 10% der Erkrankungsfälle von den Eltern vererbt.

Geschwister oder Kinder eines an Diabetes mellitus Typ 1 erkrankten Diabetikers haben daher ein Risiko von 5%, ebenfalls an dieser Krankheit zu erkranken. Sind beide Eltern von einem Diabetes mellitus Typ 1 betroffen, erhöht sich das Krankheitsrisiko für ihre Kinder auf circa 30%. Sind beide Eltern gesund, beträgt das Erkrankungsrisiko hingegen 0,1- 0,3%.

In ca. 90% aller Erkrankungen treten die Autoantikörper jedoch spontan, also unabhängig von einer familiären Vererbung auf.

Bei der Entstehung eines Diabetes mellitus vom Typ 1 sind möglicherweise auch Umweltfaktoren wie z.B. Virusinfektionen und Chemikalien beteiligt. Es wird in der Wissenschaft derzeit diskutiert, dass bei einer vorhandenen genetischen Veranlagung (Prädisposition) diese externen Einflüsse als Auslöser für die Autoimmunreaktionen wirken könnten.

In wieweit diese Faktoren aber tatsächlich zu einer Antikörperbildung und damit zum Diabetes mellitus Typ 1 führen, wird derzeit noch erforscht.

Risikofaktoren des Diabetes vom Typ 2

Aufgrund der im Vergleich zum Typ 1 anderen Entstehungsweise des Diabetes mellitus vom Typ 2 sind hier auch andere Risikofaktoren ausschlaggebend.

Einerseits spielt beim Diabetes mellitus vom Typ 2 die Vererbung eine viel größere Rolle als beim Typ 1. So haben beispielsweise Geschwister oder Kinder eines Diabetikers mit Diabetes vom Typ 2 ein um etwa 25% erhöhtes Risiko, selbst an Diabetes zu erkranken. Sind beide Elternteile von Diabetes mellitus Typ 2 betroffen, steigt das Risiko der Kinder, ebenfalls daran zu erkranken, sogar auf ca. 50%. Menschen ohne erbliche Vorbelastung haben dagegen ein ca. 5%iges Risiko.

Andererseits sind bei der Entstehung eines Diabetes mellitus vom Typ 2 der persönliche Lebensstil und zusätzlich vorhandene Erkrankungen von größtem Einfluss. ´

Der beeinflussende Faktor ist in erster Linie Bluthochdruck. Hierbei gelten Blutdruckwerte von über 140/90 mm Hg als Grenzwert.

Ebenso spielt der persönliche Lebensstil eine wichtige Rolle: Besonders Übergewicht und Bewegungsmangel sowie der regelmäßige Konsum von Genussgiften wie Alkohol (siehe auch Alkoholrisiko) und Nikotin kann die Entstehung eines Diabetes mellitus vom Typ 2 begünstigen.

Störungen des Fettstoffwechsels stellen eine weitere Ursache in der Entstehung des Diabetes mellitus vom Typ 2 dar.

Sinkt der HDL-Fettwert unter 35 mg/dl, kann das eine Rolle bei der Entstehung eines Diabetes mellitus vom Typ 2 spielen. Ebenso gefährlich ist ein Anstieg der Triglyzeride auf über 250 mg/dl (Normwert bis 200 mg/dl) oder ein Anstieg des Verhältnisses von Gesamtcholesterin zu HDL von über 5.

Auch ein während der Schwangerschaft durch insulinschädigende Hormone ausgelöster Schwangerschaftsdiabetes birgt die Gefahr, im weiteren Verlauf des Lebens einen Diabetes vom Typ 2 zu entwickeln. Die Hälfte aller Frauen, die während der Schwangerschaft erhöhte Blutzuckerwerte entwickeln und der Frauen mit Kindern ab einem Geburtsgewicht von über 4 kg, entwickeln in den nächsten 20 Jahren einen Diabetes mellitus Typ 2.

Häufigkeit des Diabetes mellitus

Im Sommer 2006 gibt es ca. 5,7 Millionen Diabetiker in Deutschland. Bei einer Bevölkerung von etwa 80 Millionen Menschen sind damit etwa 7-8% der Erwachsenen erkrankt.
Von diesen Patienten haben circa 90 % einen Diabetes vom Typ 2. Nur etwa 5-10% haben einen Diabetes vom Typ 1.

Man geht davon aus, dass ca. 2 Millionen weitere Menschen in Deutschland an Diabetes leiden, jedoch nichts von ihrer Krankheit wissen. Betrachtet man die Häufigkeit der Erkrankung in aller Welt, so fällt auf, dass diese Erkrankung in Zukunft noch stark zunehmen wird. Weltweite Verbreitung des Diabetes mellitus

Weltweite Verbreitung des Diabetes mellitus

Diabetes mellitus – vorwiegend bezogen auf den Typ 2 – ist zu einer weltweit verbreiteten Massenerkrankung geworden. Die weltweiten Zahlen (Hochrechnungen) steigen rasch an und die Vorhersageschätzungen werden immer wieder nach oben revidiert.

Kosten des Diabetes mellitus

Bei einer so wichtigen und häufigen Erkrankung ist natürlich auch das Thema der Kostenentwicklung in den nächsten Jahren ein wichtiger Aspekt.
Schon heute ist der Diabetes die größte und teuerste Volkskrankheit in Deutschland. Jeder Diabetiker verursacht seiner Krankenkasse etwa doppelt so hohe Kosten wie ein Nicht-Diabetiker.
Die Behandlung aller Diabetiker zusammen kostet in Deutschland ca. 16 Milliarden Euro im Jahr.

Dabei wird etwa die Hälfte der hohen Kosten durch stationäre Aufenthalte im Krankenhaus verursacht. Etwa ein Viertel der Ausgaben wird für Medikamente benötigt, der Rest entsteht durch Arztkosten, Arbeitunfähigkeitszeiten und Kuren.
Die höchsten Behandlungskosten pro Fall entstehen, wenn bei einem Diabetiker Folgeerkrankungen auftreten. Die Ausgaben pro Patient steigen dann je nach Erkrankung um das Doppelte bis Vierfache der normalen Ausgaben.

Symptome des Diabetes mellitus

Diabetes mellitus Typ vom Typ 2 ist eine Erkrankung, die nicht von heute auf morgen entsteht. Insbesondere der Manifestation eines Diabetes mellitus vom Typ 2 geht erst eine lange Phase des "Aufschaukelns" von vermehrter Insulinbildung und verminderter Insulinwirkung (sog. "Insulinresistenz") voraus.

Es gibt mehrere Anzeichen für eine diabetische Erkrankung. Die wichtigsten Anzeichen sind großer Durst und das Bedürfnis, häufig Wasser zu lassen. Wer am Tag unter normalen Bedingungen mehr als 4 Liter Wasser trinkt, sollte daher auf jeden Fall sein Blut untersuchen lassen.

Bei manchen Menschen führt Diabetes jedoch nicht zu diesen typischen Anzeichen, sondern zu ganz uncharakteristischen Beschwerden, wie beispielsweise Gewichtsverlust, Müdigkeit und Abgeschlagenheit.

Da diese Beschwerden auch bei ganz anderen Erkrankungen auftreten können, werden sie oft nicht ernst genommen. Wichtig ist, dass jeder Mensch, der längere Zeit unter solchen Beschwerden leidet, einen Arzt aufsucht und sich untersuchen lässt. Auch die routinemäßig empfohlenen Check-Up-Untersuchung können dazu dienen, Diabetes mellitus früh zu entdecken.

Im Rahmen dieser Untersuchungen sind erhöhte Nüchternblutzuckerwerte ein wichtiges Signal dafür, dass ein Patient gefährdet ist, einen Diabetes zu bekommen. Bei auffälligen Werten kann man oftmals durch eine Umstellung der Lebensgewohnheiten ein weiteres Fortschreiten der Erkrankung verhindern.

Bei der Entstehung des Diabetes mellitus vom Typ 1 sind die Symptome meist offensichtlicher als beim Diabetes mellitus vom Typ 2, da durch den kompletten Ausfall der Bauchspeicheldrüse die Beschwerden massiver auftreten.

Differentialdiagnose des Diabetes mellitus

  Diabetes vom Typ 1 Diabetes vom Typ 2
Manifestationsalter meist Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene meist mittleres und höheres Erwachsenenalter
Auftreten/Beginn akut bis subakut meist schleichend
Symptome häufig Durst, Wasser lassen, Gewichtsverlust, Müdigkeit häufig keine Beschwerden
Insulinbildung vermindert bis fehlend subnormal bis hoch, qualitativ immer gestört
Insulinresistenz keine oder nur gering häufig ausgeprägt
Familiäre Häufung selten häufig
Insulintherapie erforderlich meist erst nach jahrelangem Verlauf mit Nachlassen der Insulinsekretion

Diagnosestellung

Es gibt drei Möglichkeiten, die endgültige Diagnose Diabetes zu stellen.

1. Ein zufällig gemessener Blutzuckerwert ist höher als 200 mg/dl. Dabei kann die Blutentnahme entweder aus dem Finger oder aus der Vene erfolgen. Der Patient muss dazu nicht nüchtern sein.

2. Der nüchtern in Venenblut gemessene Blutzucker ist über 126 mg/dl. (Eine Blutentnahme ist prinzipiell auch aus dem Finger möglich, dabei zählen jedoch andere Grenzwerte und die Bestimmung ist nicht ganz genau.).

3. Bei Durchführung eines oralen Glukosetoleranz-Tests (OGT Test) ist der Blutzuckerwert nach zwei Stunden noch höher als 200 mg/dl. Zur Durchführung des Tests bekommt der Patient nach einer mindestens 10 Stunden langen Nüchternphase eine Glukose-Lösung aus 75 g Zucker gelöst in 250 ml Wasser zu trinken. Direkt vor sowie zwei Stunden nach Trinken der Lösung erfolgt eine Blutentnahme mit anschließender Blutzuckerbestimmung. Während der zwei Stunden soll sich der Patient nicht übermäßig bewegen.

Allerdings gibt es nicht nur die Möglichkeit bei der Blutzuckeruntersuchung einen Diabetes zu bestätigen oder auszuschließen. Häufig ergeben sich Zwischenwerte, die auf einen latenten oder Prädiabetes hinweisen.

Prädiabetes bedeutet, dass der Patient die Neigung hat, einen Diabetes zu bekommen, die Erkrankung ist jedoch noch nicht ausgebrochen.

Für einen Prädiabetes sprechen Nüchternblutzuckerwerte zwischen 110 und 126 mg/dl aus Venenblut oder Zwei-Stunden-Werte eines OGT-Tests zwischen 140 und 200 mg/dl.

Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus

Folgeerkrankungen des Diabetes entstehen in der Regel, wenn die erhöhten Blutzuckerspiegel und die bei Typ 2 Diabetikern häufigen Zusatzerkrankungen wie Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen zu einer Schädigung der Innenwände der Blutgefäße führen. Gleichzeitig neigen Diabetiker zu einer verstärkten Blutgerinnung, so dass es zum Verschluss von Gefäßen kommen kann.

Man unterteilt die Folgeerkrankungen in Schäden der kleinen Gefäße (Augen- und Nierengefäße sowie Schäden der Nerven im Bauch sowie in den Beinen und Füßen, siehe auch Diabetische Polyneuropathie) sowie Erkrankungen der großen Gefäße wie der Hirngefäße, der Herzkranzgefäße und der Beingefäße.

Diabetische Retinopathie

Werden die im Auge verlaufenden Blutgefäße, welche den Augenhintergrund (Retina) versorgen, durch eine diabetische Erkrankung geschädigt, bezeichnet man dies als diabetischen Retinopathie. Sie ist die häufigste Folgeerkrankung der kleinen Gefäße. Werden die Zellen des Augenhintergrundes nicht mehr richtig mit Blut versorgt, können sie absterben. Dadurch wird das Sehvermögen beeinträchtigt und es treten fleckenartige Sehstörungen auf.
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Folgen einer diabetischen Retinopathie auf das Sehvermögen

Vergleich des normalen Sehvermögens (links) mit dem Sehvermögen bei ausgeprägter Retinopathie (rechts).
Häufig wird die Erkrankung erst sehr spät erkannt, da sie zunächst ohne Beschwerden verläuft. Werden die Zellen des Augenhintergrundes jedoch zu stark geschädigt, besteht die Gefahr der Erblindung.

Jeder Diabetiker sollte sich daher mindestens einmal jährlich die Augen untersuchen lassen.

Diabetische Nephropathie

Eine durch Diabetes bedingte Schädigung der kleinen Blutgefäße kann sich jedoch auch im Bereich der Nieren zeigen. Bis zu 30 % aller Diabetiker entwickeln eine solche diabetische Nephropathie.

Die Zellen der Niere, die normalerweise die Giftstoffe aus dem Blut filtern, werden dabei durch die Mangelversorgung in ihrer Funktion beeinträchtigt.

Die Funktion der Nieren als Filterorgan des Körpers wird beeinträchtigt - bis hin zur Gefahr der Dialysepflichtigkeit. Daneben kann es auch zur Entwicklung eines hohen Blutdrucks sowie Fettstoffwechselstörungen kommen.

Diese Erkrankung lässt sich leicht an einer erhöhten Ausscheidung des Eiweißes Albumin im Urin erkennen. Einmal im Jahr sollte deshalb beim Diabetiker durch eine Laboruntersuchung des Blutes die Nierentätigkeit überprüft werden.

Potenzstörungen

Werden die Nerven des Körpers aufgrund diabetischer Gefäßschäden nicht mehr ausreichend mit Blut versorgt, können sie die Nervenimpulse nicht mehr richtig an das Gehirn weiterleiten. Sind die Nerven im Unterleib davon betroffen, kann es neben anderen Folgeerkrankungen auch zu Potenzstörungen kommen.

Etwa 95 % der über 70jährigen Diabetiker leiden unter dieser Erkrankung - im Gegensatz zu 25% der über 70jährigen Nicht-Diabetiker

Diabetische Neuropathie

Sehr häufig kommt es bei Diabetikern durch Schädigung der kleinen Gefäße, die die Nerven der Beine versorgen, zu einer so genannten diabetischen Neuropathie (siehe auch Diabetische Polyneuropathie). Für den Patienten macht sich die Erkrankung in Form von Missempfindungen der Beine, Brennen der Fußsohlen oder Taubheitsgefühl der Füße bemerkbar. Da der Patient insbesondere Schmerzempfindungen in den Füßen nicht mehr richtig spüren kann, können Verletzungen der Füße die Folge sein. Schon harmlose Brotkrumen auf dem Boden können für einen Diabetiker zur Gefahr werden.

Entstehung der Neuropathie

Blutgefäße werden durch Blutzucker-Ablagerungen geschädigt. Die Blutgefäße können ihre Aufgabe, die Versorgung der Nervenzellen, nicht mehr leisten. Die Nervenzellen sterben ab und können daher keine Signale mehr übertragen.
Verbunden mit einer bei Diabetikern häufigen Durchblutungsstörung der großen Fußgefäße (Schaufensterkrankheit) besteht insbesondere die Gefahr der Entstehung eines diabetischer Fußes. Als diabetischen Fuß bezeichnet man offene Stellen an den Füßen, die nur sehr schwer zur Abheilung zu bringen sind.

Die Gefahr des diabetischer Fußes besteht vor allem darin, dass die Wunden immer größer werden, bis eine Amputation des Fußes unumgänglich wird.

Ca. 30% aller Diabetiker sind davon betroffen. Jeder Diabetiker sollte regelmäßig zu Hause seine Füße inspizieren, regelmäßig beim Arzt die Füße kontrollieren lassen und zur Vorbeugung einer solchen Fußerkrankung nie ohne Schuhe herumlaufen.
Siehe auch  Neuropathie Neuropathie

Makrovaskuläre Folgeerkrankungen

Nicht nur die kleinen, sondern auch die großen Blutgefäße können durch eine diabetische Erkrankung betroffen sein.

Durchblutungsstörungen des Gehirns bis hin zum Schlaganfall können so entstehen, wenn die großen Hirngefäße durch die diabetischen Veränderungen betroffen sind. Diabetiker haben ein dreifach erhöhtes Schlaganfallrisiko.

Bei akuter Verengung oder einem Verschluss der Herzkranzgefäße kann ein Angina Pectoris oder ein Herzinfarkt entstehen. Daneben kann es bei dauerhafter Schädigung zur Entstehung einer Koronaren Herzkrankheit kommen. Das Risiko eines Herzinfarktes ist bei Diabetikern ca. 3-6fach erhöht (siehe auch  Herzinfarktrisiko Herzinfarktrisiko).

Bei Schädigung der großen Gefäße in den Beinen kommt es zu einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK), die man auch als "Schaufensterkrankheit" bezeichnet. Die Betroffenen leiden beim Gehen unter Schmerzen in den Beinen, die sich besser, wenn man Stehen bleibt (siehe auch Diabetischer Fuss).

Im schlimmsten Fall kann es zur Bildung offener Füße mit Gefahr der Amputation kommen. Diabetiker haben ein etwa dreifach erhöhtes Risiko an einer pAVK zu erkranken.

Diabetisches Koma

Neben den Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus können zudem akute Komplikationen auftreten. Bei massivem Abfall des Blutzuckers, aber auch bei starkem Anstieg des Blutzuckers kann es zu Bewusstseinsstörungen bis hin zu einem Koma kommen.

Ein solches Koma wird meistens durch eine Fehldosierung von Medikamenten (siehe auch Medikamentöse Therapie) verursacht, wobei zusätzlich bestimmte Umstände die Über- oder Unterzuckerung noch verstärken können.

Übermäßige Nahrungsaufnahme und Infektionen (siehe auch Immunsystem), aber auch eine Einnahme blutzuckersteigernder Medikamente (z.B. Kortison), können zu erhöhten Blutzuckerwerten führen. Sportliche Betätigungen (siehe auch Freizeit und Sport mit Diabetes), Alkoholgenuss oder andere Medikamente (z.B. ß-Blocker), können dagegen zu einer Unterzuckerung beitragen.

Anzeichen eines diabetischen Komas

Während bei der übermäßigen Erhöhung des Blutzuckers vor allem Durst auftritt, ist plötzlicher Hunger ein wichtiges Symptom einer Unterzuckerung.

Oft kommt es zudem zu Konzentrationsstörungen, Zittrigkeit und weiteren zentralnervösen Ausfällen, ähnlich wie bei übermäßigem Alkoholgenuss.

Auftreten des diabetischen Komas

Bei Auftreten von Befindlichkeitsstörungen sollte jeder Diabetiker möglichst schnell eine Blutzuckerbestimmung durchführen. Bei starker Blutzuckerabweichung kann dann sofort reagiert werden, bei der Überzuckerung Einnahme der vorgesehenen Medikamente, bei Unterzuckerung durch Einnahme von Traubenzucker, die jeder Diabetiker stets mit sich führen sollte.

Ist eine Bestimmung des Blutzuckers nicht möglich, sollte man im Zweifelsfall von einer Unterzuckerung ausgehen und Traubenzucker einnehmen, da das Risiko einer Unterzuckerung potentiell gefährlicher ist als eine Überzuckerung.

Ist bereits beim Patient der Komazustand eingetreten, muss sofort der Notarzt zu verständigt werden.

Therapie des Diabetes mellitus

Allgemeine Ziele der Diabetestherapie sind der Erhalt und die Wiederherstellung der Lebensqualität, die Minimierung der Erkrankungssymptome sowie die Vermeidung von Akutkomplikationen und Folgeerkrankungen des Diabetes.

Die Folgeerkrankungen des Diabetes bergen die größten Gesundheitsrisiken. Hier muss insbesondere vorbeugend versucht werden, die Entstehung von Folgeschäden über eine gute Blutzuckereinstellung zu vermeiden oder aber die Folgeschäden unter regelmäßiger Kontrolle und Therapie zu halten. Auch die Risikofaktoren für Typ 2 Diabetiker (wie Bluthochdruck, Übergewicht und Fettstoffwechselstörungen) müssen therapiert werden, um ein Entstehen eines Diabetes mellitus zu verhindern.

Es sollte insbesondere eine gute Blutzuckereinstellung mit einem HbA1 von weniger als 6,5% sowie Nüchternblutzuckerwerte zwischen 80 und 120 mg/dl angestrebt werden.

Bei den Blutfetten und dem Blutdruck werden für Diabetiker besonders strenge Richtlinien angesetzt.
  • Gesamt-Cholesterin kleiner als 180 mg/dl
  • LDL kleiner als 100mg/dl
  • HDL größer als 45 mg/dl
  • Triglyceride kleiner als 150 mg/dl
  • Blutdruck kleiner als 130/85 mmHg
  • Blutdruck bei Albuminurie kleiner als 120/80 mmHg

Basistherapie

Bevor eine medikamentöse Therapie des Diabetes in Erwägung gezogen wird, sollte der Diabetes mellitus zunächst mit einer so genannten Basistherapie behandelt werden.

Die Basistherapie versucht vor allem durch Schulung, Umstellung der Ernährung auf kohlenhydratbewusste Nahrung und Gewichtsabnahme (insbesondere bei Übergewicht), den Diabetes mellitus vom Typ 2 zurückzudrängen. Nur so ist eine gute Blutzuckereinstellung möglich, wodurch wiederum die Gefahr der Folgeerkrankungen des Diabetes reduziert wird.

Auch die Aufnahme einer sportlichen Betätigung (siehe auch Freizeit und Sport mit Diabetes) im Rahmen der Basistherapie ist sehr wichtig, da dies zu einer Verbesserung der Insulinwirkung (siehe auch Insulin) führt.

Medikamentöse Therapie

Bei einem ausgeprägten Diabetes sind die Maßnahmen der Basistherapie alleine jedoch nicht mehr ausreichend. Hier benötigt man spezifische Medikamente (siehe auch Medikamentöse Therapie).

Insgesamt ist das Therapieziel der medikamentösen Therapie immer das gleiche, nämlich ein HbA1 unter 6,5% bzw. ein Nüchternblutzucker zwischen 80 und 120 mg/dl aus der Vene bzw. von unter 100mg/dl aus der Fingerbeere (bzw. 135 mg/dl nach dem Essen).

Biguanide

Die Biguanide (z.B. Metformin) verhindern die in der Leber stattfindende Bildung von Glucose und verzögern die Aufnahme des Nahrungszuckers aus der Nahrung im Darm.
Sie eignen sich insbesondere bei Übergewicht, da diese Medikamente nicht zu einer Gewichtszunahme führen und eine bestehende Insulinresistenz, die insbesondere bei Übergewichtigen vorkommt, beseitigen können.

Sulfonylharnstoffe

Sulfonylharnstoffe, wie z. B. das Glibenclamid, regen die noch funktionstüchtige Bauchspeicheldrüse zur verstärkten Ausschüttung von Insulin an. Sie werden oft am Anfang einer medikamentösen Diabetestherapie eingesetzt, wenn die Basistherapie alleine nicht mehr hilft.

Alpha-Glucosidase-Hemmer

Alpha-Glucosidase-Hemmer, wie das Glucobay, bewirken eine Verminderung der Aufnahme der Kohlenhydrate im Darm. Sie werden insbesondere bei hohen Blutzuckerwerten nach dem Essen eingesetzt.

Glitazone

Glitazone, wie Actos und Avandia gehören zu einer neuen Gruppe von Medikamenten, die bisher eher selten eingesetzt werden. Es bewirkt eine Verbesserung der Insulinwirkung in Leber, Muskeln und Fettgewebe, so dass hier vermehrt Zucker abgebaut werden kann. Es wird gerne mit Metformin kombiniert.

Glinide

Die Glinide, wie z.B. das Novo Norm, regen die Bauchspeicheldrüse zu vermehrter Insulinproduktion an. Der Unterschied zu den Sulfonylharnstoffen liegt darin, dass die Wirkung des Medikaments schnell eintritt, aber nur kurz anhält. Daher können sie bedarfsgerecht nur bei Einnahme einer Mahlzeit eingesetzt werden.

Insulintherapie

Eine weitere Möglichkeit zur Behandlung des Diabetes besteht in der Zufuhr von Insulin.
Bei Patienten mit Diabetes mellitus vom Typ 1 ist dies generell nötig, da hier die Bauchspeicheldrüse nicht mehr arbeitet und Insulin dem Körper komplett fehlt.
Bei Patienten mit Diabetes mellitus vom Typ 2 wird der Einsatz von Insulin dann nötig, wenn die vorgegebenen Therapieziele anders nicht mehr erreicht werden können.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Insulintherapie.

Bolustherapie

Ein gerne benutztes Therapieprinzip bei einer Erkrankung an Diabetes vom Typ 2 ist die Bolustherapie. Zum Essen wird, abgestimmt auf den zuvor ermittelten Blutzuckerwert, eine festgelegte Menge eines kurz wirksamen Insulins gespritzt. Zusätzlich kann Metformin oder ein langwirksames Insulin am Abend verabreicht werden.
Die Vorteile der Bolustherapie sind die Vermeidung von Blutzuckerspitzen nach dem Essen, die Vermeidung von Gewichtszunahme durch Verzicht auf Zwischenmahlzeiten mit flexibler Nahrungszufuhr und die Vermeidung von Unterzuckerungen durch bedarfsgerechte Dosierung.

Konventionelle Insulintherapie

Trotzdem hat auch heute noch die konventionelle Insulintherapie bei Patienten mit Diabetes mellitus vom Typ 2 ihre Berechtigung.
Dazu wird ein Mischinsulin in immer gleicher Menge am Morgen und teilweise auch am Abend verabreicht. Um eine Gewichtszunahme und Insulinresistenz zu vermeiden, wird die Insulingabe gerne mit Metformin (siehe Insulin kombiniert
Vorteil dieser Therapie ist insbesondere die einfache Handhabung. Allerdings birgt diese Therapieform auch eine ganze Reihe von Nachteilen. Durch die starre Insulingabe lässt sich der Diabetes oft nicht gut einstellen und werden teilweise feste Zwischenmahlzeiten erforderlich. Dadurch besteht die Gefahr der Gewichtszunahme und der Unterzuckerung.

Intensivierte konventionelle Therapie (ICT)

Eine sehr gute Therapieform ist die intensivierte konventionelle Therapie (ICT), die vor allen Dingen bei Diabetes vom Typ 1 und jungen Patienten mit Diabetes mellitus vom Typ 2 eingesetzt wird. Bei dieser Therapie wird ein bis zweimal täglich ein Langzeitinsulin verabreicht. Zusätzlich wird zu den Mahlzeiten nach Berechnung der verzehrten Kohlenhydratmenge ein kurzwirksames Insulin gespritzt. Der Vorteil dieser Therapie besteht darin, dass damit die beste Blutzuckereinstellung möglich ist, da bedarfsgerecht dosiert wird. Allerdings setzt diese Therapieform eine spezielle Schulung voraus und ist nicht ganz einfach zu erlernen.