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Polyneuropathie und Diabetischer Fuss

Durch die dauerhaft zu hohen Blutzuckerspiegel bei einem schlecht eingestellten Diabetes mellitus kann es zu einer Schädigung der Blutgefäße in den Beinen kommen (Diabetische Polyneuropathie). Die Nervenzellen der Beine werden nicht mehr ausreichend mit Blut versorgt und können Signale zwischen den Beinen und dem nicht mehr richtig weiterleiten.

Werden Signale der Sinnesorgane in den Beinen nicht mehr richtig an das Gehirn weitergeleitet, kommt es zu schmerzhaften Missempfindungen und Sensibilitätsstörungen. Das häufigste Symptom einer diabetischen Nervenschädigung der Beine ist daher ein Brennen der Fußsohlen (sog. "burning feet"), das insbesondere in der Nacht auftritt. Weiterhin empfinden die Erkrankten strumpfförmige Taubheitsgefühle oder ein sog. "Ameisenlaufen" in den Beinen. Teilweise sind die Missempfindungen so stark, dass die Erkrankten in der Nacht die Berührung der Bettdecke auf den Beinen nicht mehr ertragen können.

Durch fehlerhafte Übertragung von Anweisungen vom Gehirn an die Beinmuskulatur kommt es zur Unsicherheit beim Gehen, rascher Beinermüdung und Fußhebestörungen mit der Gefahr von Stürzen. Auch treten gehäuft Wadenkrämpfe auf.

Schema der Entstehung einer Neuropathie

Blutgefäße werden durch Blutzucker-Ablagerungen geschädigt. Die Blutgefäße können ihre Aufgabe, die Versorgung der Nervenzellen, nicht mehr leisten. Die Nervenzellen sterben ab und können daher keine Signale mehr übertragen.
Im schlimmsten Fall können diabetische Nervenschäden zur Entstehung des diabetischen Fußes führen. Diese Erkrankung wird durch mehrere Faktoren verursacht. Durch die Nervenschäden in den Beinen kommt es zu Empfindungsstörungen der Füße, so dass drückende Schuhe nicht bemerkt werden.

Durch Störung der für die Fußmuskeln zuständigen Nerven kommt es zu Fußfehlstellungen (Fußmuskelabbau) und durch die Störung der für die Hautversorgung zuständigen Nerven kommt es zu trockener und rissiger Haut.

Durch alle diese genannten Faktoren zusammen kommt es zur Bildung von Geschwüren am Fuß. Diese treten hauptsächlich an der Fußsohle auf und bilden offene Wunden.

Differentialdiagnostik der peripheren Neuropathie

Wichtig zu bedenken ist, dass die Symptome, die bei Schädigung der Beinnerven auftreten, neben der Diabeteserkrankung auch durch andere Ursachen hervorgerufen werden können. Eine periphere Neuropathie kann neben der diabetischen Erkrankung auch durch regelmäßigen Alkoholkonsum, die Einnahme verschiedener Medikamente, bestehende Nierenschäden oder einer Mangelernährung hervorgerufen werden.

Aber auch Bandscheibenschäden und periphere Durchblutungsstörungen (sog. "Schaufensterkrankheit") können häufig zu den gleichen Beschwerden führen und müssen vom Arzt ausgeschlossen werden.

Um eine diabetische Nervenschädigung frühzeitig festzustellen, sollte bei jedem Diabetiker mindestens einmal jährlich eine spezielle Untersuchung erfolgen.

Im Rahmen der Anamnese der Krankheit wird der Patient vom Arzt nach den typischen Symptomen (z.B. Kribbelgefühle in den Beinen) befragt. Zudem sollte eine genaue ärztliche Untersuchung der Beine und Füße erfolgen. Dazu gehört ein genaues Ansehen der Füße mit den Zehenzwischenräumen und der Fußsohlen, um kleine Hautverletzungen, übermäßige Hornhautbildung und Geschwüre zu erkennen.

Wichtig ist auch, dass jeder Diabetiker selbst möglichst täglich eine genaue Kontrolle seiner Füße vornimmt, um frühzeitig Hautschäden zu erkennen. Für Diabetiker, die aufgrund mangelnder Beweglichkeit ihre Füße nur eingeschränkt selbst untersuchen können, gibt es spezielle Fußspiegel, mit denen ihnen die Untersuchung ihrer Füße möglich ist.

Der Arzt wird neben der Untersuchung der Füße auf Hautverletzungen auch die Fußpulse tasten, um die Durchblutung der Beine zu überprüfen und um Durchblutungsstörungen (Schaufensterkrankheit) als Zeichen einer diabetischen Gefäßschädigung festzustellen.

Damit Nervenschäden schon in einem frühen Stadium aufgespürt werden können, wenn der Patient noch gar keine Beschwerden hat, gibt es zusätzlich einige spezielle Hilfsmittel.

Mit einer Stimmgabel, die der Arzt in Schwingungen versetzt und an die Füße des Patienten hält, kann man genau feststellen, ob der Patient an den Füßen noch ausreichend Gespür für die Vibration der Stimmgabel besitzt.

Mit dem "Tip-Therm"-Stab, dessen eine Seite kalt, die andere warm ist, kann der Arzt ein gestörtes Temperaturempfinden an den Füßen des Patienten erkennen. Mit dem Neuro-Tip-Stab kann auf die gleiche Weise eine gestörte Oberflächenwahrnehmung und eine gestörte Schmerzempfindung erkannt werden.

Durch Abbau der Muskulatur in den Füßen bedingte Fußfehlstellungen, die auch zur Bildung eines diabetischen Fußes führen können, lassen sich mit einer aufwändigen Pedographie-Untersuchung feststellen. Dabei tritt der Patient auf ein spezielles Messgerät, welches den Druck an jeder Stelle der Fußsohle misst und graphisch darstellt.

Durch die Pedographie kann eine typische diabetisch bedingte Störung der Druckverteilung mit verminderter Zehenbelastung und übermäßiger Vorfußballenbelastung als Risikofaktor des diabetischen Fußes ermittelt werden. Diese Untersuchung erfolgt insbesondere bei Angabe von Schmerzen in den Füßen oder Hautauffälligkeiten der Füße.

Therapie des diabetischen Fußes

Die Behandlung der Diabetische Polyneuropathie erfolgt in erster Linie durch eine Verbesserung der Blutzuckereinstellung. Ist ein Diabetiker an einer Polyneuropathie erkrankt, sollte der Blutzucker zur Vermeidung weiterer Nervenschäden möglichst auf unter 150 mg/dl auch nach dem Essen eingestellt werden.

Schon die Verbesserung der Blutzuckereinstellung kann zu einer schlagartigen Verbesserung der polyneuropathischen Beschwerden und teilweise sogar zu einer Rückbildung der schon eingetretenen Nervenschäden führen.

Nimmt man als Vergleich wieder den mangelernährten Mann, so ist es verständlich, dass sich dieser abgemagerte Mann mit ausreichendem Essen wieder erholt und seine Konzentrationsstörungen wieder zurückgehen. So ist es auch im Bereich der Nerven zu sehen.

Ist der Blutzucker gut eingestellt, kommt es nicht mehr zur Anlagerung von Zucker an die kleinen Blutgefäße in den Beinen. Die nunmehr freien Gefäße können das Blut wieder gut zu den Nerven transportieren und die Nerven werden bei guter Ernährung wieder voll funktionsfähig.

Alle weiteren Therapieansätze sind gegenüber einer guten Einstellung des Blutzuckers unbedeutend.

Ist es bereits zur Bildung eines diabetischen Fußes gekommen, muss zunächst eine vollständige Druckentlastung angestrebt werden. Die Entlastung des Fußes kann beispielsweise durch Bettruhe, den Einsatz eines Rollstuhles oder durch das Tragen eines Vorfußentlastungsschuhes erzielt werden.

Ein zweiter Stützpfeiler der Behandlung ist die regelmäßige Wundbehandlung. Es existieren viele verschiedene Wundverbände, die angewendet werden können. Da jeder Mensch unterschiedlich gut auf die darin enthaltenen Wirksubstanzen reagiert, muss man für jeden einzelnen den geeigneten Verband herausfinden. Häufig kommt es bei einen diabetischen Fuß zu einer Infektion der Fußwunden. In diesem Fall sollte nach Bestimmung des jeweiligen Keimes eine spezielle Therapie mit Antibiotika begonnen werden.

Wie bereits erwähnt, ist bei dem Krankheitsbild der diabetischen Nervenschädigung gute Blutzuckereinstellung das A und O der Behandlung. Jeder Patient sollte deshalb regelmäßige Blutzuckerselbstkontrollen durchführen, um schlechte Zuckerwerte schnell zu erkennen und damit anschließend vermeiden zu können.

Selbstverständlich sollten nervenschädigende Substanzen wie Alkohol, Nikotin und verschiedene Medikamente (Zytostatika) zur Vermeidung einer Verschlechterung des Krankheitsbildes gemieden werden.

Prävention des diabetischen Fußes

Auch sollte jeder Patient täglich eine Kontrolle seiner Füße durchführen, um die Zeichen der diabetischen Nervenschädigung und des diabetischen Fußes aufzuspüren. Die tägliche Fußpflege mit Waschen der Füße, Eincremen der Fußsohlen (nicht der Zehenzwischenräume), vorsichtige Hornhautentfernung und Fußgymnastik sollte jeder Diabetiker durchführen. Gegebenenfalls sollten diabetische Schuheinlagen getragen werden.

Zur noch besseren Kontrolle der Diabeteserkrankung empfiehlt sich das Führen des blauen Blutzuckerpasses entweder durch den Arzt oder durch den Patienten selbst.

Teils vierteljährlich, teils jährlich wird in diesem Büchlein an durchzuführende Untersuchungen erinnert. Neben der Ermittlung des Blutzuckers, des Blutdrucks und des Körpergewichtes sind darin auch Untersuchungen zur Erkennung der Diabetische Polyneuropathie aufgeführt. Bei regelmäßigem Führen des Passes fällt eine diabetische Nervenschädigung frühzeitig auf und kann schon im frühen Stadium behandelt werden.